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Zeitenwende in der Regulatorik voraus?

Günther Ritzinger, Experte für Kapitalmarktrecht, erklärt, was die sogenannten „EU-Omnibus-Pakete“ für ESG bringen könnten.

Published investESG on 2025-06-16
Photo credit: KCU
Mag. Günther Ritzinger, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter, Kapitalmarkt Consult KCU GmbH
Seit nun knapp einem Jahrzehnt weist der Gründer des Beratungsunternehmens KCU wiederholt darauf hin, dass der Finanzmarkt der EU „nicht gerade unterreguliert“ ist und dass die Treffsicherheit der Gesetze zunehmend schwinde.
„Die EU muss wirklich darauf achten, dass ihr die Akzeptanz der verordneten Regeln seitens der Bürgerinnen und Bürger nicht abhanden kommt“. Wie Ritzinger aus Gesprächen mit Vertretern der Banken- und Wertpapierszene zu berichten weiß, sei man mittlerweile über den Punkt reinen Unmuts hinaus. Genau das habe die Europäische Kommission aber erkannt und adressiere dies mit Vorschlägen in Form der Omnibus-Pakete.
Im Gesetzes-Dschungel
Warum ist der Unmut gegenüber den Regularien gewachsen, und wie können die Omnibus-Pakete die Situation verbessern? Dazu muss man zunächst festhalten, dass es – vereinfacht formuliert – drei Kategorien von Vorschriften gibt: Anforderungen an die finanzielle Ausstattung der Kredit- und Finanzinstitute, Anforderungen an deren Aufbau- und Ablauforganisation, und schließlich Verhaltensanforderungen an diese Institute.
Gerade letztere Kategorie soll in Form von verpflichtender Transparenz sicherstellen, dass sich Anleger ein gutes Bild über die angebotenen Produkte und Dienstleistungen machen können, nicht zuletzt im ESG-Bereich.
Ziel verfehlt
Ein „Zurückschrauben“ bei der ersten Kategorie, also den Eigenmittelanforderungen der Institute, wäre „ein gefährliches Spiel mit dem Feuer“. Derlei Forderungen stünden zum Glück nicht im Raum. „Die beiden anderen Kategorien (Organisation u. Verhalten, Anm) sind zweifellos ebenso wichtig, hier aber ist der Gesetzgeber über das Ziel hinausgeschossen.
Die Regeln sind vielfach zu komplex, damit auch unverständlich, und sie verfehlen mehr und mehr die gesetzgeberischen Ziele.“ Hier kommen die EU-Omnibus-Pakete ins Spiel. Ihr Sinn ist es, kurz zusammengefasst, für die Anpassung und Vereinfachung von bestehenden Vorschriften zu sorgen und den Bürokratieaufwand deutlich zu reduzieren.
Ritzinger: „EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den dringenden Handlungsbedarf erkannt und bereits 2024 ihre Pläne für Bürokratieabbau kundgetan. Im Februar 2025 wurde dann das entsprechende Arbeitsprogramm der Kommission veröffentlicht. Bis dato wurden vier Pakete vorgestellt, wobei sich bereits das erste Paket um das Thema ESG dreht.“
Zu nennen sind hier insbesondere CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive, sie verpflichtet Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung) und CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, sie soll dafür sorgen, dass innerhalb der Lieferketten auf Menschenrechte und Umwelt geachtet wird).
„Beide Rechtsakte sind wiederum überbürokratisiert ausgefallen, der Omnibus soll für die Adjustierung auf ein vernünftiges Level, gerade bei den KMU, sorgen. Das Potenzial ist groß: Pro Jahr soll mittelfristig bürokratischer Aufwand in Höhe von rund sechs Milliarden Euro eingespart werden. Ziel ist es, den Verwaltungsaufwand um 25 Prozent, bei KMU gar 35 Prozent, zu reduzieren“, so Ritzinger.
Einen übergeordneten fixen Zeitplan für die Umsetzung gibt es zwar nicht,  auch weil es sich bei den Paketen um Legislativvorschläge an EU-Rat und EU-Parlament handelt. Es stehen also möglicherweise noch Verhandlungen an, der Prozess ist „ongoing“.
Wobei bei Ritzinger die Hoffnung groß ist, dass bereits im Vorfeld eine gewisse informelle Abstimmung erfolgt ist und es zu keinen großen Überraschungen kommen wird: „Für die Politik wäre es eine riesige Blamage, sollten die Pakete nicht beschlossen oder in weiterer Folge die Ziele verfehlt werden. Wenn allein das erste Paket hält, was es verspricht, dann haben wir regulatorisch und bürokratisch gesehen eine Zeitenwende in der EU.“
ESG: Noch Baustellen
Aber es gibt auch potenziell weniger gute News: Erleichterungen für Finanzdienstleister und Berater kommen in den bislang vorgestellten Omnibus-Paketen nicht vor. Ritzinger ist allerdings optimistisch, dass es Pakete speziell für den Finanzsektor geben wird: „Die Dynamik ist bereits sehr groß und es gibt einigen Nachbesserungsbedarf.“
Ein gutes Beispiel bietet die derzeitige Form der Verpflichtung für Berater, die ESG-Präferenzen ihrer Kunden abzufragen. Ritzinger verweist hier auf eine gesetzliche Definition der sogenannten „Nachhaltigkeitspräferenzen“, die selbst fundierte Juristen teils nicht verstehen, somit auch nur schwer die Berater, geschweige denn die Anleger.
Ritzinger stellt zu diesem Thema darüber hinaus eine rhetorische Frage: „Wie sinnvoll ist es, wenn ein Berater den Anleger zwingend nach solchen Nachhaltigkeitspräferenzen fragen muss, wenn er doch von vornherein gar keine passenden Produkt- und Dienstleistungsangebote in seinem Repertoire hat? Das führt nur zu Verärgerung.“
Abfragen müssen die Berater die Nachhaltigkeitspräferenzen – jedenfalls bis auf Weiteres – aber auch in solchen Konstellationen. Zu hoffen bleibt laut Ritzinger, dass Erleichterungen, wie jene des ersten Omnibus-Pakets, seitens der Kommission auch für die Finanzdienstleister vorgeschlagen werden. Also die bestehenden ESG-Offenlegungspflichten für Finanzdienstleister der Kategorie KMU. 
Harald Kolerus, Wirtschaftsredakteur ([email protected])
Günther Ritzinger gründete im Jahr 2010 das auf aufsichtsrechtliche Themen und Weiterbildung am Finanzmarkt spezialisierte Beratungsunternehmen KCU. Zuvor war der studierte Jurist unter anderem als leitender Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht sowie ebenfalls in leitender Position bei Banken und Wertpapierfirmen tätig.